// |
Morbus Addison und Addisonkrise
Veterinärspiegel, 4/2003
Artikel drucken >>
Der Morbus Addison ist ein Krankheitssyndrom, das durch ungenügende Sekretion der lebenswichtigen Mineral- und Glukocorticoide bedingt wird. Der Hypoadrenocortizismus oder die Nebennierenrindeninsuffizienz (NNRI) ist eine seltene Erkrankung, die sich meist über Jahre hinzieht mit unspezifischen, chronisch-progredienten Symptomen. Die meisten Fälle des Morbus Addison werden - wenn überhaupt - erst in der lebensgefährlichen Addison Krise diagnostiziert. Daher ist anzunehmen, daß der M. Addison häufiger vorkommt, als er diagnostiziert wird. Erst in der Krise werden retrospektiv unklare Krankheitsschübe, die sich meistens unter einer kombinierten Therapie mit Glucocorticoiden gebessert hatten, als M. Addison eingestuft.
|
|
// |
Vorkommen
Es erkranken vornehmlich junge Hunde größerer Rassen. Nicht ungewöhnlich ist das gemeinsame Vorliegen von Morbus Addison und Hypothyreose, das sog. Schmidt Syndrom. Bei der Katze sind lediglich 10 Fälle beschrieben worden, die in einem mittleren Alter von 4 Jahren erkrankt waren.
Ätiologie
Primäre NNRI: Als Thomas Addison 1856 das Krankheitsbild
beim Menschen zuerst beschrieben hat, war die Ursache vornehmlich
die Infektion mit Tuberkulose. Beim Hund ist die Erkrankung vermutlich
eine autoimmun bedingte, lymphozytäre, progressive, bilaterale Zerstörung
der NNR. Wenn etwa 85-90% der NNR zerstört sind, kommt es zu klinischen
Erscheinungen. Beim Menschen ist bei der autoimmun bedingten NNRI
als Hauptantigen die 21-Hydroxylase (P-450 c21) gefunden worden,
die schlußendlich zu einer Zerstörung der drei Steroid-produzierenden
Zonen - Z. reticularis, Z. fasciculata und Z. glomerulosa mit einem
totalen Mangel an Cortisol und dem Mineralcorticoid Aldosteron führt,
bei einem sehr hohen ACTH Spiegel durch den feed back Mechanismus
des fehlenden Cortisols. Aldosteron wird jedoch kaum durch ACTH
stimuliert, sondern hauptsächlich durch das Renin-Angiotensinsystem,
das mangels Aldosteron jedoch zusammenbricht: Es kommt in der Niere
zu Natrium-, Chlor- und Wasserverlust bei Kaliumretention.
Sekundäre NNRI: Sie ist weitaus seltener als die
primäre Form und ist bedingt durch Mangel an ACTH Sekretion durch
hypophysäre Tumore, die auch andere hormonelle Dysfunktionen bedingen.
Da es hierbei meist nicht zur Zerstörung der Z. glomerulosa kommt,
fehlen nur die Glukocorticoide bei gleichbleibendem Mineralcorticoidspiegel,
so daß es nicht zur dramatischen M. Addison Krise mit hypovolämischem
Schock kommt.
Iatrogene NNRI: Diese ist wesentlich häufiger als
die spontane Form! Ursache ist die langandauernde Behandlung mit
Corticosteroiden. Über den feed back-Mechanismus wird die ACTH-Sekretion
chronisch unterdrückt, mit der Folge der Atrophie der Z. fasciculata
und reticularis. Die Z. glomerulosa ist nicht betroffen. Besonders
nach plötzlichem Absetzen von hohen Cortisongaben und ungewöhnlichen
Streßbelastungen kann ein Addison-ähnliches Bild auftreten. Selbst
nach Absetzen der Glucocorticoide kann die Atrophie der NNR mehrere
Monate lang andauern, bis sie wieder selber Glucocorticoide produziert.
Gestagene haben eine ähnliche, langandauernde atrophierende Wirkung
auf die NNR. Eine weitere iatrogene Form der reversiblen NNRI kann
durch die Behandlung mit Lysodren auftreten. |
|
// |
Symptomatik
Die verschiedenen Krankheitsbilder lassen sich durch die vielfältigen physiologischen Wirkungsweisen der Glucocorticoide und der Mineralcorticoide erklären. Leichte Glucocorticoid- und Aldosteroninsuffizienzen haben noch keine schwerwiegenden Konsequenzen. Kommt es jedoch während der latenten Phase zu gastrointestinalen Störungen mit Inappetenz, Durchfällen oder Vomitus, kann der labile Gesundheitszustand plötzlich zusammenbrechen. Da in diesen latenten Phasen die Tiere oftmals symptomatisch mit Cortisonen behandelt werden, wird der Morbus Addison häufig sehr lange Zeit maskiert. Oft kommt die diagnostische Idee eines M. Addison erst in einer akuten Krise, die allerdings dann sehr schnell behandelt werden muß, das Abwarten auf die Laborergebnisse eines externen Labors können den Tod des Tieres bedeuten. Sehr hilfreich ist eine Präsenzdiagnostik von Kalium und Natrium in der eigenen Praxis. Der Unterschied zwischen dem latenten Krankheitssyndrom Morbus Addison und der Addison Krise wird vornehmlich durch den eklatanten Mineralcorticoidmangel hervorgerufen und der Schweregrad der Krise korreliert mit dem Ausmaß der Kaliumerhöhung und des Wasserverlustes.
Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Hypochlorämie, Hyperphophatämie führen progressiv zur Hypovolämie, Hypotension, veminderter Durchblutung der Nieren und anderer Organe, Herabsetzung der glomerulären Filtrationsrate mit prärenaler Azotämie und metabolischer Azidose. In der Krise brechen die Tiere zusammen.
In der langen Phase des latenten Verlaufs kommt
es immer wieder zu:
gastrointestinalen Störungen mit Vomitus und Inappetenz, Diarrhoen, blutigem Stuhlgang,
Obstipationen mit abdominalen Schmerzen, Ösophagusdilatation, Gewichtsverlust,
Muskelschwächen, Muskelzittern, Muskelkontraktionen, Myopathien,
Gewichtsverlust, Lethargien
Bei akuten Krisen durch Streß oder Infektionen
und im Endstadium der Erkrankung werden zusätzlich folgende Symptome
sichtbar:
Schocksymptome mit Hypotension, Schwäche, Kollaps, Dehydratation, Untertemperatur, Hypoglycämie
Bradykardie, leise Herztöne, schwacher Puls, stark erniedrigter Blutdruck
|
|
// |
Diagnostik
Da die klinische Symptomatik nicht typisch
ist, besonders nicht außerhalb einer Krise, sind die Messung
des Natrium:Kalium-Qotienten ein wesentlicher Hinweis
Normalwerte:
Natrium: 142 - 155 mmol/L
Kalium: 4 - 5 mmol/L
Natrium:Kalium-Qotient: 28 - 40.
Morbus Addison Verdacht: Natrium:Kalium-Quotient: < 27
Addison-Krise: Natrium:Kalium-Quotient: < 25
bei weiterem Anstieg von Kalium auf 10 mmol/L und Absinken
des Quotienten auf < 15 besteht akute Lebensgefahr!
EKG: abhängig von der Hyperkaliämie flache bis
verschwundene P-Amplitude bei stark überhöhter T-Zacke, QRS-Verbreiterung
und Blockbildung.
Röntgen: schmales, steiles Herz, dünne Aortaund,
dünne Vena cava caudalis.
Hämatologie: erhöhter Hämatokrit, durch die Hämokonzentration
kann die leichte Anämie verdeckt sein, Eosinophilie und Lymphozytose
Die entgültige Diagnose wird durch den ACTH-Stimulationstest mit Messung des endogenen ACTH`s gestellt:
ACTH-Test: Ein niedriges Cortisol zeigt
keine oder nur sehr geringe Stimulierbarkeit, und das endogene
ACTH (Probe muß mit einem Enzymhemmer versehen sein ) bei
der primären NNRI zeigt sehr hohe Werte ( normal:
< 5 pg/ml - 9 pg/ml, bei NNRI: > 600 pg/ml)
Cave: auch ein iatrogener Cushing zeigt keine Cortisolstimulierung,
bei normalen Natrium-Kaliumwerten
Differentialdiagnosen:
Zum Ausschluß der Differentialdiagnosen, wie chronische Niereninsuffizienz im Endstadium, Herzinsuffizienz mit Mangeldurchblutung der Nieren, sowie hochgradige Exsikkose mit Elektrolytverschiebungen durch gastrointestinale Störungen muß ein ACTH-Test durchgeführt werden.
ABER: Ein niedriger Natrium-Kalium-Quotient erfordert
eine sofortige Therapiemaßnahme!
Das Abwarten auf das Ergebnis des ACTH-Testes kann für den Hund tödlich sein!
Der ACTH-Test ( Durchführung: Basiswert, ACTH-Injektion i.v., 1 Stunde später Stimulationswert) wird unter der Einleitung der rapiden Infusion mit physiol. NaCl-Lösung vor der Verabreichung von Glucocorticoiden durchgeführt.
|
|
// |
Therapiemaßnahmen
1. Addison-Krise mit Schock:
Volumenmangel : schnelle Dauertropfinfusion über
Venenkatheter mit 0,9%ige NaCl-Lösung 80 - 100
ml/kg innerhalb der ersten Stunde, anschließend langsamer auf 50
ml/24 h
Zusätzlich in die Infusion bei schwerer Hyperkaliämie:
Evtl. gegen die Azidose: NaHCO3 besonders in der
ersten Stunde (Richtdosis 1 - 2 mval/kg als Konzentrat) in die Infusionslösung
Gegen die Hyponatriämie: 10% ige NaCl-Lsg. i.v
(Richtdosis 0,2 ml/kg/Tag)
Gegen die Hyperkäliämie: 20 - 40%ige Glukoselösung
i.v. (Richtdosis 1-2 ml/kg)
Kontrolle der Diurese: Falls kein Urin unter der schnellen Infusionstherapie abgesetzt wird, evtl. zusätzlich Furosemid 2 mg/kg.
Glucocorticoidgabe (GC) initial: Hydrocortison
5 mg/kg i.v. (Hydrocortison hat eine ausreichende Mineralcorticoidwirkung),
wenn nicht vorhanden: Prednisolon 1 mg/kg i.v. oder Dexamethason
0,2 mg/kg i.v., aber beide letzteren GC haben keine Mineralcorticoidwirkung.
Meist kommt es unter dieser Maßnahme zu einer sehr schnellen Regeneration. Die Tiere fressen wieder, so daß meist schon am nächsten oder übernächsten Tag auf die Erhaltungstherapie gewechselt werden kann.
2. Orale Erhaltungstherapie Glucocorticoide können, Mineralcorticoide
müssen als Dauertherapie substituiert werden.
Mineralcorticoide: Fludrocortison ( Astonin H-Tabletten)
0,01-0,02 mg/kg 2 x tgl.
Glucocorticoide: Prednisolontabletten 0,1 - 0,2 mg/kg, evtl .2 x
tgl., bis 1 x tgl., bis jeden 2 Tag. Der Bedarf an GC kann
sich bei Streß auf das 10 fache erhöhen! Unter einer ausreichenden
Glucocorticoidtherapie fällt das endogene ACTH auf niedrig-normale
Werte ab. Auf Nebenwirkungen von Polyurie und Polydipsie ist zu
achten, evtl. muss das Mineralcorticoid erhöht werden.
Kochsalz dem Futter oder besser Trinkwasser beimengen:
0,1 g / kg / Tag.
Kontrolle von Natrium, Kalium, und der Nierenwerte
zunächst in 1-2 wöchigen Abständen, später bei klinischem Wohlbefinden
2 - 4 x pro Jahr.
Bei normalen Kaliumwerten, aber leicht erhöhten / erniedrigten Natriumwerten: Weniger / mehr Kochsalz dem Trinkwasser beimengen.
Bei erhöhten Kaliumwerten: Erhöhung der Fludrocortisondosis
Bei Lethargie, aber normalem Na:K-Quotienten: Erhöhung der GC-Dosierung, dasselbe auch bei Stressphasen wie Infektionen, chirurgischen Eingriffen, Vomitus oder Erbrechen.
Für plötzlich auftretende Addisonkrisen unter der Erhaltungstherapie, falls der Hund keine Tabletten mehr aufnehmen kann, sollte der Besitzer ein injizierbares Hydrocortisonpräparat für die s.c.Injektion bereit haben.
Die Prognose eines medikamentell eingestellten M. Addison ist gut und die Tiere können eine normale Lebenserwartung haben.
Eine unzureichende Substitution führt schnell wieder in
die Addison-Krise, daher ist die Aufklärung des Tierhalters ein
sehr wesentlicher Bestandteil der Therapie. |
|
<<
zurück |
|