//    Autoimmun bedingte Hauterkrankungen bei Hund und Katze
Veterinärspiegel, 4/2002
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Bei Autoimmunerkrankungen versagt die "eigen - fremd - Erkennung " :Humorale und/oder zelluläre Antikörper werden gegen körpereigene Zellen oder Zellstrukturen gerichtet. Durch die immunologische Reaktion entstehen pathologische Veränderungen mit unterschiedlich schwerwiegenden Verlaufsformen.

 

A.
Die Nomenklatur der blasenbildenden autoimmunen Dermatosen richtet sich nach der Einteilung in der Humanmedizin, obgleich neben Ähnlichkeiten auch große Unterschiede in der klinischen und histologischen Ausprägung bestehen: Die Hauterkrankungen des Pemphiguskomplexes sind durch Bullae als Primärläsionen gekennzeichnet, die bei Hund und Katze äußerst fragil und kurzfristig sind und sehr schnell in Pusteln mit neutrophilen und/oder eosinophilen Granulozyten und ulzerativen und krustösen Läsionen übergehen. Am häufigsten sind bei beiden Tierarten Erkrankungen des Pemphiguskomplexes anzutreffen.

Die Klassifizierung der blasenbildenden Dermatosen erfolgt je nach Wirkung der Autoantikörper gegen die verschiedenen Zellstrukturen.

Die Verdachtsdiagnose basiert auf der Anamnese, dem klinischen Verlauf der Erkrankung, der Verteilung der Läsionen und der Zytologie der Veränderungen.

Die Diagnose wird am sichersten auf Grund der Histopathologie gestellt. Hierbei ist es entscheidend, möglichst frische Bullae zu entnehmen, die allerdings besonders bei der Katze noch seltener als beim Hund zu finden sind.

Die Prognose ist bei allen autoimmunen Hauterkrankungen vorsichtig zu stellen, je tiefer die Spaltenbildung in der Epidermis erfolgt, um so schwerwiegender ist die Verlaufsform.

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Pathogenese

Autoantikörper sind gerichtet:
1. Gegen Membranantigene der Keratinozyten mit der Folge von Kohärenzverlust der Epidermalzellen, so daß epidermale Spalten ( Akantholyse ) in der Epidermis entstehen:

Pemphigusgruppe: Pemphigus foliaceus (PF): Autoantikörper gegen Desmoglein 1-Antigen der oberen Schicht der Keratinozyten in der Epidermis, am häufigsten bei Hund und Katze.

Pemphigus erythematosus (PE): Variante des Pemphigus foliaceus

Panepidermaler Pemphigus (PPP): Variante des Pemphigus foliaceus. Die intraepidermalen Pusteln sind tiefer als beim PF in allen Epithelschichten gelegen, bis in die suprabasale Lage.

Pemphigus vulgaris (PV): Autoantikörper gegen Desmoglein 3 + 1 der Keratinozyten in der unteren verhornenden Epithellage, vor allem an der Lippe und anderen muco-cutanen Übergängen. PV ist die häufigste Pemphiguserkrankung beim Menschen, seltener bei Hund und Katze.
 

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Pemphigus foliaceus, 5 Jahre alter Mischlingshund
 

Pemphigus foliaceus, generalisiert
 

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2. Gegen die dermo-epidermale Junktionszone (Hemidesmosomen), mit der Folge von dermo-epidermalem Kohärenzverlust, der zu subepidermaler Spaltenbildung über der Basalmembran führt.

Pemphigoidgruppe(sehr selten)
Bullöses Pemphigoid
der Haut Pemphigoid der Schleimhaut ( vernarbtes Pemphigoid)
Epidermolysis bullosa aquisita

3. Gegen Produkte und Strukturen der Zellkerne (z.B. DNS), dadurch Entstehung von zirkulierenden Immunkomplexen und deren Ablagerung in verschiedenen Geweben und Organen, Aktivierung des Komplementsystems mit der Folge von Gewebszerstörung mehrerer Organe (Gelenke, Nieren, Haut, etc).

Systemischer Lupus erythematodes ( SLE )
discoidaler Lupus erythematodes (gutartige Form des LE ohne multisystemische Beteiligung, nur auf die Haut im Gesicht beschränkt).
 

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Pemphigus vulgaris, ulzerative Veränderungen auf der Kruppe und Analschleimhaut
 

Zytologischer Abklatsch mit akantholytischen Zellen beim Pemphigus
 

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KLINIK

1. a. Pemphigus foliaceus
Der Pemphigus foliaceus ist die häufigste Form der autoimmunen Hauterkrankungen des Hundes und der Katze, es bestehen keine Altersbegrenzungen. Eine auffallende Häufigkeit ist beim Akita zu verzeichnen, ein Hinweis auf eine vererbbare Veranlagung. Das klinische Bild wird dominiert durch eine colaretteartig erythematöse, schuppige, krustöse Dermatitis mit oft unauffälligem Allgemeinbefinden. Primärläsionen mit Bläschen sind wegen der Fragilität ohne ständige Beobachtung klinisch sehr selten zu sehen, sie erodieren äußerst schnell, so daß die Sekundärläsionen mit erodierten Pusteln, Krusten, Hyperkeratose und schuppenden Alopezien überwiegen. Die entzündlichen Veränderungen sind am häufigsten an den Pfoten, am Krallenfalz, im Gesicht und an den Ohren, am Bauch und Rücken zu finden. Läsionen in der Maulhöhle und an den muco-cutanen Übergängen sind nicht vorhanden. Von der Pemphigusgruppe ist der Pemphigus foliaceus die Erkrankung mit der günstigeren Prognose. Dennoch bleibt es eine Erkrankung, die eine lebenslängliche Behandlung erfordert.

1.b. Pemphigus erythematosus
Diese Form des Pemphigus ist meist nur auf den Kopfbereich beschränkt, mit Läsionen um das Auge herum, an den Ohren und um den Mund herum, eine Schleimhautbeteiligung ist ebenfalls nicht vorhanden.

1.c. Pemphigus vulgaris
Der Pemphigus vulgaris ist eine ulzerative muco-cutane Erkrankung der Maulschleimhaut, dem Zahnfleisch, dem harten und weichen Gaumen, den Lippen, den Nasenlöchern und dem Philtrum und am Krallenbett. Generalisierungen sind ebenfalls möglich. Die oralen Ulzerationen können starke Salivation bedingen, Freßunlust, Anorexie, Lymphknotenvergrößerung können vorhanden sein. Die Prognose ist beim Pemphigus vulgaris schlecht.

2. Bullöses Pemphigoid Diese seltene Autoimmunerkrankung ist gekennzeichnet durch hochgradig ulzerative Läsionen in der Maulhöhle, der Haut und den muko-kutanen Übergängen. Klinisch ist diese Form nicht vom Pemphigus vulgaris zu unterscheiden. Differentialdiagnostisch kommen Erythema multiforme und andere immunbedingte ulzerative Erkrankungen in Betracht. Die Diagnose wird durch die Histopathologie von intakten Bullae gestellt. Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß der Ulzerationen.

3. Systemischer Lupus erythematodes ( SLE ) / diskoidaler Lupus erythematodes ( DLE )
Der SLE ist eine Autoimmunerkrankung mit Auswirkung auf mehrere Organe. Klinisch können vielfältige Erkrankungsbilder auftreten wie Fieber, hämolytische Anaemien, Lymphadenopathien, Glomerulonephritis, Polyarthritiden, ulzerative Stomatitis. Besteht gleichzeitig eine Hautbeteiligung, kann die Diagnose erleichtert werden. Die Hauterscheinungen sind vesiko-bullöser Art und können ebenso vielfältig sein, wie unter dem Pemphiguskomplex beschrieben.

Der DLE wird als die gutartige Form des SLE angesehen und ist nur auf die Haut beschränkt mit Hypopigmentierung, Erythem, Papeln, Schuppung, Erosionen und Ulzerationen. Meist ist der discoidale Lupus nur auf den Nasenrücken und eventuell die Ohren begrenzt. Sonnenlicht kann zur Verstärkung der Erkrankung führen.
 

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Lupus erythematosus, DSH, 13 Monate alt
 

Lupus erythematosus, DSH, 13 Monate alt (derselbe Hund siehe links)
 

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Zusammenfassung über die Verteilung der Hautläsionen

Pemphigus foliaceus:
Kopfbereich, Nasenrücken, Ohren, Augenbereich,
Fußballen, Krallenbett,
Generalisierung möglich

Pemphigus erythematosus:
Ausschließlich am Kopf und an den Ohren.

Pemphigus vulgaris, bullöses Pemphigoid
Haut
Maulschleimhaut,
Mukokutane Übergänge,
Krallenbett, Generalisierung möglich

Diskoidaler Lupus erythematodes (DLE):
Vornehmlich Gesichtsbereich, Ohren,
Ballenveränderungen und Generalisierungen möglich
 

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Kutaner (Discoidaler) Lupus erythematosus
 

Kutaner (Discoidaler) Lupus erythematosus (derselbe Hund siehe links)
 

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DIAGNOSE

1. Klinische Verdachtsdiagnose durch Aussehen und Verteilung der Läsionen (siehe oben)
2. Exfoliative Zytologie
3. Histopathologie
4. ANA-Titer (Antinukleäre Antikörper, nur beim SLE)

ad 2. Zytologie (Tzanck-Test)
Bei der zytologischen Untersuchung eines Bläscheninhaltes oder des Abstriches einer erosiven Läsion sind beim Pemphiguskomplex neben neutrophilen Granulozyten meistens mehrere bis viele charakteristische akantholytische Zellen (aus dem Zellverband herausgelöste, abgerundete Keratinozyten) zu finden. Beim DLE findet man keine akantholytischen Zellen.

ad 4. ANA-Titer
Antinukleäre Antikörper sind gegen verschiedene Strukturen der Zellkerne gerichtet sind, daher ist die Bestimmung von antinukleären Antikörpern bei Hauterkrankungen nur beim Verdacht auf einen Systemischen Lupus Erythematodes angezeigt. Die Ergebnisse des ANA-Testes sind sehr kritisch zu bewerten, da positive Titer bei verschiedenen anderen Erkrankungen, durch Medikamente und selbst bei gesunden Individuen vorkommen, während Corticosteroide ein falsch negatives Ergebnis bewirken können. Beim discoidalen Lupus ist der ANA-Titer beim Hund negativ.
 

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Therapie
Die Behandlung aller Autoimmunerkrankungen basiert auf der Verabreichung immunsuppressiver Medikamente und variiert nach Ausmaß und Schwere der Erkrankungen. Es wird empfohlen, zu Beginn mit Prednison/Prednisolon in immunsuppressiver Dosierung von 2 mg/kg/ Tag für 2 Wochen zu beginnen. Bei der Katze sind wiederholte Injektionen von Depot-Medrate häufig ausreichend.

Sind beim Hund die Nebenwirkungen wie Polydipsie / Polyurie zu stark, wird zusätzlich Azathioprin ( 0,5-1 mg/kg) verabreicht, bei einer Reduktion des Corticosteroids. Kommt es mit dieser Kombinationstherapie zu einer weitgehenden Kontrolle der Erkrankung, wird das Corticosteroid auf eine minimale, noch wirksame Erhaltungsdosis auf jeden 2. Tag reduziert unter Beibehaltung des Azathioprins in derselben Dosierung. Der Pemphigus foliaceus ist mit dieser Therapieform gut zu kontrollieren, die Prognose des P. vulgaris und bullösen Pemphigoids ist nicht so gut.
 

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B. Sebadenitis

Bei der aseptischen Sebadenitis kommt es durch eine lymphozytäre Entzündung im Isthmusbereich des Haarfollikels zu einer Zerstörung der Talgdrüsen. Die Haarfollikel selber werden zwar in ihrem Entwicklungszyklus beeinträchtigt, es kommt jedoch nicht zu einer Zerstörung der Haarfollikel. Das Spätstadium ist geprägt vom totalen Verlust der Talgdrüsen bei nur noch minimaler oder fehlender Entzündung im Bereich der Talgdrüsen.

Bislang hat es über die Sebadenitis nur Studien bei Hunden gegeben, bei denen die Erkrankung häufiger auftritt und vermutlich genetisch bedingt ist, da sie bei einigen Rassen und Geschwistertieren gehäuft auftritt (z.B. Akita Inu, Hovawarth, Schnauzer, Deutschen Schäferhund, Pudel, Malteser). Bei der Katze wird die Sebadenitis seltener diagnostiziert.

Die genauen Pathomechanismen sind unklar. Es scheint eine immunbedingte T-Zell-vermittelte Zytotoxizität gegen Antigene der Talgdrüsen vorzuliegen, obwohl bislang kein spezifisches Antigen identifiziert werden konnte.

Die Sebadenitis beginnt in den ersten ein bis zwei Lebensjahren, sie kann sich jedoch schleichend entwickeln und erst im späteren Alter klinisch manifest werden.
 

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Klinik

Die Krankheitsbilder können bei den verschiedenen Rassen und je nach Progression der Entzündung unterschiedlich ausgeprägt sein. Im Stadium der subakuten bis akuten Entzündung der Talgdrüsen kann eine hyperämische Hautreaktion sichtbar sein. Bei fortschreitendem Verlust der Talgdrüsen ist das klinische Bild generell gekennzeichnet durch eine sehr trockene und gering bis hochgradig schuppende Haut. Die ersten Symptome sind zumeist feine Schuppen, schlechte Fellqualität, gefolgt von fleckenförmigem bis generalisierendem Haarausfall, jedoch keine totale Alopezie, da die Primärhaarfollikel nicht in ihrem Wachstum gestört werden, sondern nur die Sekundärhaarfollikel. Die Erkrankung beginnt meist im Gesichts- Kopf - Nackenbereich, an den Ohrrändern und breitet sich über den Rücken und den Rumpf, Schwanz bis auf die Beine aus. Den ausgezupften Haarbälgen haften oftmals schmierige Schuppenbeläge an. In den meisten Fällen besteht mittlerer bis sehr starker Juckreiz, bedingt entweder allein durch die sehr trockene Haut und/oder die sich möglicherweise sekundär einstellende Pyodermie. Beim Akita Inu ist die Sebadenitis besonders häufig mit einer sehr starken Hyperkeratose und ebenfalls sehr starkem Juckreiz verbunden

Diff. Diagnosen
Hypothyreose (Hund)
Dermatophytosen

Die Diagnose erfolgt in der histopatholoagischen Untersuchung durch den Nachweis der fehlenden Talgdrüsen.
 

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Therapiemaßnahmen

Eine kausale Therapie der genetisch bedingten Sebadenitis gibt es bislang nicht.

Zu Beginn der Erkrankung könnte eventuell die zellulär-zytotoxische Zerstörung der Talgdrüsen mit Cyclosporinen aufgehalten und damit die Dauer bis zur endgültigen Zerstörung verlängert werden, ein wissenschaftlicher Beweis steht jedoch noch aus.

Die symptomatische Behandlung richtet sich gegen die Austrocknung der Haut mit stark rückfettenden Spülungen und Einsprühungen, wodurch das Fell wieder ein gutes Aussehen erhalten kann. Bei sehr starkem Juckreiz und sekundärer Pyodermien können gegebenenfalls Antibiotika und Corticosteroiden kurzfristig helfen. Zerstörte Talgdrüsen werden nicht wieder neu gebildet, daher wird die symptomatische Therapie lebenslang erfolgen müssen, die Hunde sind anderweitig gesund.

Als Therapie bei der Sebadenitis wird immer wieder über den Einsatz von Retinoiden (Vitamin-A-Säure-Derivate, z.B. Etretinat, Acitretin, Isotretinoin) berichtet, allerdings nur mit anektodenhaftem Erfolg. Die Retinoide können einen Einfluß auf die Verhornungsvorgänge der Haut haben und werden deshalb bei Hyperkeratosen, besonders beim Menschen, eingesetzt. Da sie jedoch nicht nebenwirkungsfrei sind und keinen begünstigenden Effekt auf die Talgdrüsen haben, wird bei starker Hyperkeratose stattdessen eher wird der Einsatz des Vitamin A (Retinol 10.000 - 20.000 IE) zur unterstützenden Behandlung empfohlen.
 


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