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Dermatophytose bei einem Hund mit ungewöhnlicher Symptomatik eines Erythema multiforme.
Veterinärspiegel, 2/2004
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Infektionen mit Dermatophyten gehören zu den am häufigsten über- oder unterdiagnostizierten Hauterkrankungen, wenn sie nur per adspektionem und nicht konsequent durch spezielle Untersuchungen abgeklärt werden. In selteneren Fällen können jedoch auch Untersuchungen mit Pilzkulturen und Hautbiopsien zunächst zu Fehlinterpretationen führen, wie im vorliegenden Fall beschrieben wird.
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Anamnese
Eine 6 jährige Bearded Collie Hündin litt unter fortschreitenden, z.T. offenen Hautläsionen.
Voruntersuchungen: Blutbild, Differentialblutbild
und großer Check up von Niere-, Leber-, Pankreas- und Muskelstoffwechsel
ergaben keine abweichenden Befunde, Leishmaniose Titer:
negativ, Pilzkultur (im externen Labor): negativ,
bakterielle Kultur: Staph. intermedius +.
Vorbehandlung: Die wegen des positiven Staphylokokkenbefundes
erfolgte Behandlung mit einem Antibiotikum hatte zu keiner Verbesserung
der Hautsymptomatik geführt. Die Hündin wurde daraufhin wegen
des Verdachtes auf einen Pemphigus überwiesen.
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Hautsymptomatik
Am Rumpf, Bauch und Nacken bestanden unregelmäßig große, erosiv-ulzerative, teils trockene, teils nässende Läsionen, besonders am Rumpf waren die fleckigen Hautentzündungen mit weißlichen, zusammenhängenden Schuppenbelägen bedeckt (Abb. 1,2,3). Ähnliche Belege zeigten alle Fußballen (Abb. 4). Um den After herum befanden sich kleinere krustöse Läsionen (Abb.5).
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Abb.1: Erosionen am Bauch und der Vulva |
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Abb.2: Kleinere Ulzerationen im Nacken |
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Abb.3: Schuppenbelag auf einer Erosion |
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Abb.4: Schuppenbeläge auf den Ballen |
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Spezielle Untersuchungen
Mikroskopische Untersuchung von gefärbten Abklatschpräparaten der erosiv-ulzerativen Läsionen: keine akantholytischen Zellen (kein Hinweis auf einen Pemphigus foliaceus)
Hautgeschabsel: negativ
Wood`sche Lampe: negativ
KOH-Präparat von ausgezupften Haaren und Schuppen im Randbereich der Läsionen: kein Hinweis auf Sporen oder Hyphen. Wegen der kurz zuvor durchgeführten Pilzkultur mit negativem Ergebnis in einem Fremdlabor wurde auf eine erneute Pilzkultur zunächst verzichtet.
Entnahme von 4 Hautstanzen aus verschiedenen Körperläsionen.
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Abb.5: Krustöse Läsionen um den After herum
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Abb.6: Histologischer Schnitt
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Befundung der histopathologischen Untersuchung (Abb. 6)
Epidermis: Hochgradige irreguläre Akanthose, hochgradige lymphozytäre Exozytose, multifokale apoptotische Keratinozyten in suprabasalen Schichten der Epidermis; teilweise mit Satellitose; multifokale, hochgradige kompakte, parakeratotische Hyperkeratose.
Dermis: mittelgradige subepidermale, überwiegend
lymphoplasmazelluläre Dermatitis; tiefe Dermis frei von entzündlichen
Veränderungen.
Adnexe: anagene Haarfollikel mit normal strukturierten
Haarschäften vorhanden; hochgradige Hyperplasie des infundibulären
Epithels mit gleichen Veränderungen wie in der interfollikulären
Epidermis, dadurch hochgradige infundibuläre parakeratotische Hyperkeratose.
PAS-Färbung: negativ, kein Hinweis auf Dermatophyten
Morphologische Diagnose: Interface-Dermatitis,
vereinbar mit einem Erythema multiforme
Beurteilung: Alle Biopsien zeigen gleichartige
morphologische Veränderungen: überwiegend suprabasale Keratinozytendegeneration
mit Exozytose und hochgradige parakeratotische, kompakte Hyperkeratose.
Intraepidermale pustulöse Veränderungen und akantholytische Zellen
sind nicht nachweisbar. Folglich handelt es sich um Veränderungen,
die mit einem Erythema multiforme vereinbar sind. Eine Assoziation
mit einer Herpesvirus-Infektion ist denkbar, doch können auch Arzneimittelreaktionen
die zugrunde liegende Ursache sein.
Weitere Vorgehensweise: Die Besitzer wußten nichts
von einer Erkrankung in den vergangenen Monaten, auch hatte der
Hund neben seiner üblichen Impfung und der routinemäßig durchgeführten
Entwurmung keine Medikamente erhalten.
Therapie: Beginn einer immunsuppressiven Therapie
mit Prednisolon (1 mg/kg KGW) und Azathioprin (ImurekR, 1 mg/kg/Tag).
Telefonische Beratung eine Woche nach dem Start der Therapie:
Alle Erosionen und Ulzerationen wären fast abgeheilt, aber neue
schuppige, trockene Flecken wären hinzugekommen. Nach erneuter,
intensiver telefonischer Befragung des Hundehalters zur Vorgeschichte
wurde erzählt, daß der Hund während der Urlaubszeit vor wenigen
Wochen in einer Pension mit Pferden, Hunden und Meerschweinchen
untergebracht worden war und daß die ersten Läsionen am Körper etwa
eine Woche nach der Rückkehr in das eigene Haus aufgetreten waren.
Die Besitzer hätten nicht gewußt, daß dieser Umstand wichtig war
und es deshalb auch den Tierärzten gegenüber nicht erwähnt. Daraufhin
wurde per Telefon die Anweisung gegeben, die immunsuppressiven Behandlungen
sofort zu stoppen, da nun der dringende Verdacht einer Pilzinfektion
bestand.
Erneute Untersuchung: Haarproben und Schuppenmaterial
wurden zur Untersuchung an ein anderes mykologisches Labor geschickt
und es wurde sofort auf Verdacht eine topikale und systemische Pilzbehandlung
eingeleitet.
Ergebnis der 2. mykologischen Untersuchungen: im
KOH-Präparat wurde eine einzige Stelle mit einem endotrichen Myzel
entdeckt, jedoch war kein ektotriches Wachstum zu sehen, es wurde
der Verdacht einer Dermatophytose geäußert. In der Pilzkultur wuchs
nach ungewöhnlich langer Zeit eine Microsporumart, die erst nach
erneuter Überbrütung als Microsporum canis identifiziert werden
konnte.
Therapie: Unter der konsequenten Behandlung mit
Enilconazol topikal (ImaverolR) und Ketoconazol systemisch (NizoralR,
, 10 mg/kg) kam es zu einer zügigen Abheilung aller Läsionen. |
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Diskussion:
Dermatophytosen können sehr große diagnostische Schwierigkeiten bereiten: Auf der einen Seite durch unterschiedliches Wachstumsverhalten der verschiedenen Pilze in den Kulturen, auf der anderen Seite durch immunologische Überreaktionen des betroffenen Wirtes gegen vermutlich toxische Produkte der eingedrungenen Pilze. Je weniger ein Wirt an einen Pilz angepaßt ist, desto stärker ist in der Regel seine immunologische Abwehrreaktion mit ungewöhnlicher klinischer Symptomatik. Eine sehr starke immunologische Reaktion des Wirtes gegen einen eingedrungenen Dermatophyten kann dazu führen, daß im Haar- und Schuppenmaterial nur sehr wenige Sporen vorhanden sind, so daß eine routinemäßig durchgeführte Pilzkultur ein falsch negatives Ergebnis ergeben kann, wie in der ersten Pilzkultur geschehen. Auch bei der zweiten mykologischen Untersuchung war im KOH-Präparat nur an einer einzigen Stelle endotrich ein Myzel zu sehen, ektotriches Wachstum fehlte völlig, was ebenfalls auf sehr wenig Pilzelemente schließen läßt und durch eine übersteigerte immunologische Reaktion des Wirtes bedingt sein könnte.
Das klinische Bild ließ zunächst durchaus an eine immunbedingte Erkrankung denken, daher wurden auch nach der Überweisung mehrere Hautbioptate entnommen. In der histologischen Untersuchung wurden keine PAS-positive Strukturen gefunden, es bestand somit kein Hinweis auf eine Dermatophytose, sondern das Bild entsprach einer starken immunologischen Reaktion. Die histologisch gestellte Diagnose eines Erythema multiforme beinhaltet jedoch keine Ätiologie, sondern zeigt lediglich akute Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut an. Auslöser eines Erythema multiforme können verschiedene Triggermechanismen sein, die bei viralen Infektionen und anderen Erkrankungen oder auch durch Medikamentenbehandlungen entstehen, durch die es zu toxischen und/oder immunologischen Veränderungen an Zellen, Gefäß- oder Gewebestrukturen kommt mit hypersensitiven und anderen Immunentgleisungen. Die Behandlungen eines Erythema multiforme bestehen daher üblicherweise in einer Unterdrückung der hyperreaktiven Immunabwehr mit immunsuppressiven Medikamenten.
Im vorliegenden Fall hat jedoch eine Infektion mit M. canis - ein eigentlich an den Hund angepasster Dermatophyt -zu einer derartigen Überreaktion des Immunsystems geführt, mit dem histologischen Bild eines Erythema multiforme. Die daraus abgeleitete immunsuppressive Therapie war allerdings in diesem Fall der ursächlichen Dermatophytose kontraindiziert. Sie hat zwar zunächst zur Verbesserung der immunologisch bedingten erosiv-ulzerativen Hautveränderungen geführt, die Pilzinfektion breitete sich jedoch weiter aus.
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Klinische Schlußfolgerungen:
Dermatophytosen können sehr verschieden aussehende klinische Bilder verursachen.
Weder eine negative mykologische Untersuchung, noch das Fehlen von PAS-positiven Elementen in Hautbioptaten schließen eine Dermatophytose gänzlich aus. Zur Sicherheit besser eine zweite mykologische Untersuchung durchführen lassen, evtl. mit anderen Kulturmedien.
Von großer Bedeutung ist ein sehr umfassender und genauer Vorbericht: in diesem Fall hat das Verschweigen der Hundehalter vom Zusammensein mit anderen Hunden, Meerschweinchen und Pferden in deren Urlaub nicht den Verdacht auf die Möglichkeit einer Pilzinfektion gelenkt.
In zweifelhaften Fällen immer zuerst konsequent mit Antimykotika behandeln, bevor eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird.
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